Literarischer
Donner-Gott Nabokov-Fotoausstellung im
Literaturhaus
Hamburg - Wenn Horst Tappe von seiner Freundschaft mit Vladimir und Vera
Nabokov erzДhlt, dann am liebsten in Anekdoten. Wie jener von seinem
Besuch beim Schauspieler Peter Ustinov im Wohntrakt des Luxushotels
Montreux Palace im Jahr 1961. "Seid bitte leise, Herr Nabokov Эber uns
schreibt einen Roman", soll Ustinov damals scherzhaft seine Kinder ermahnt
haben. FЭr den erst 20 Jahre alten deutschen Fotografen, der sich auf
PortrДts bekannter KЭnstler zu spezialisieren begann, war dieser Spaъ das
Entree zu den prominenten Nachbarn.
Das Literaturhaus Hamburg
zeigt bis Ende April eine kleine Auswahl von Tappes Fotografien, die
anlДsslich des 100. Geburtstags von Nabokov 1999 fЭr eine viel gefragte
Wanderausstellung ausgesucht worden sind. Bilder vom! Schriftsteller bei
der Arbeit in seiner Suite, unterwegs in Montreux, beim Schachspiel und
vor allem bei seiner stДrksten Leidenschaft, der Jagd nach
Schmetterlingen. Tappe nutzte ein einzigartiges Privileg: Er hatte das
Vertrauen des Dichters. Eine groъe Ausnahme, denn Nabokov war aus gutem
Grund misstrauisch gegenЭber Жffentlichem Interesse: Seine 1955 erstmals
verЖffentlichte "Lolita" war durch den Skandal geboren. Die fatale Liebe
eines kultivierten Дlteren Herrn zu einer Kindfrau sicherte dem Roman eine
Aufmerksamkeit, die seinem SchЖpfer lДstig wurde: Nabokov war nicht
gewillt, als schreibender WЭstling vorgefЭhrt zu werden.
Von
Montreux aus versuchte Nabokov zu kontrollieren, was Эber ihn
verЖffentlicht wurde. Interviewer mussten seine Bedingungen akzeptieren:
die Fragen vorher einreichen, verЖffentlichen erst, wenn der gesamte Text
autorisiert worden war. Kurios war seine Praxis im Radio und Fernsehen:
Der Interviewer stellte brav seine Fragen, Nabokov las ! von versteckten
Karteikarten die Antworten ab. Es entstand ein Bild de s Autors als
literarischer Donner-Gott: unnahbar, gefЭrchtet fЭr seine Verdikte.
Dass all dies nur Stilisierung war, um den eigenen Kosmos vor
Trivialisierungen zu schЭtzen, bestДtigen Menschen, die Nabokov als
charmanten Gastgeber und aufgeschlossenen, loyalen Freund kennen gelernt
haben. Horst Tappe ist einer von ihnen. Mit einer Anekdote illustriert er,
wie nachsichtig Nabokov sein konnte: "Der Dauergast im Montreux Palace
musste jede Serviceleistung quittieren. Als Nabokov bemerkte, dass diese
Quittungen in der monatlichen Abrechnung fehlten, fand er rasch heraus,
dass das Personal sie an Touristen verkaufte. Nabokov gab grundsДtzlich
keine Autogramme, die Unterschriften waren entsprechend begehrt." Tappe
fragte Nabokov, was er dagegen unternehme. "Er lДchelte und sagte: ,I play
the game'."
Horst Tappe, Nabokov, Christoph Merian Verlag, 17 Euro
Ausstellung bis 30. April
erschienen am 22. Apr 2003 in Kultur /
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