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Review of new German edition of STRONG OPINIONs. Volume XXI.
Hrsg. of Dieter E. Zimmer ... (fwd)
Hrsg. of Dieter E. Zimmer ... (fwd)
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EDNOTE.
---------- Forwarded Message ----------
Date: Wednesday, August 04, 2004 10:26 PM -0400
From: "Sandy P. Klein" <spklein52@hotmail.com>
------------------
Machine Translation directly under German article:
Nicht deuten. Verstehen!
Panik vor der schlechten Formulierung: "Eigensinnige Ansichten", Interviews
mit Vladimir Nabokov VON MARTIN KRUMBHOLZ Der russische Schriftsteller
Nabokov, der sich später als Amerikaner entpuppte und seinen skandalösesten
(und vielleicht auch besten) Roman, Lolita, in der Sprache der unbegrenzten
Möglichkeiten schrieb, hatte wie ...
Tuesday 2004-08-03, Frankfurter Rundschau (German)
[Image: "Frankfurter Rundschau"]
[Image: "ONLINE"]
[Image: "border=0 height=197 src="]
http://www.fr-aktuell.de/ressorts/kultur_und_medien/belletristik/?cnt=48122
8
Nicht deuten. Verstehen!
Panik vor der schlechten Formulierung: "Eigensinnige Ansichten", Interviews
mit Vladimir Nabokov
VON MARTIN KRUMBHOLZ
[Image: "height=3 src="]
Der russische Schriftsteller Nabokov, der sich später als Amerikaner
entpuppte und seinen skandalösesten (und vielleicht auch besten) Roman,
Lolita, in der Sprache der unbegrenzten Möglichkeiten schrieb, hatte wie
viele Genies etwas Monströses. Er war sich dessen bewusst; sein Lexikon
lieferte ihm zum Stichwort "Monstrum" die Definition: "eine unnatĂĽrlich
vortreffliche Person". Das mag die eine Seite sein, aber Nabokov war auch
ein bissiges Tier, und es ist ĂĽberliefert, dass Reporter, die den Meister
in seiner Altersresidenz in Montreux interviewen wollten, sich auf dem Weg
dorthin in den Genfer See ĂĽbergaben, aus Lampenfieber. Eigentliche
Interviews gab allerdings Nabokov nicht, man musste die Fragen vorher
schriftlich einreichen und erhielt schriftliche Antworten; das Interview
wurde dann sozusagen aufgefĂĽhrt wie eine Performance.
Spontaninterviewphobie
Der Kern dieser Spontaninterviewphobie ist der Wunsch, stets zu glänzen, zu
brillieren, und auf keinen Fall bei irgendeiner Schwäche ertappt zu werden.
Spricht er über eigene Schwächen, übertreibt er sie und macht das
Geständnis dadurch unglaubwürdig. Sein Weltbild ist kompakt und
geschlossen, er ist ein groĂźer Konservativer des 20. Jahrhunderts,
Aristokrat, Antikommunist, Amerikaner aus Ăśberzeugung. Vor allem aber
zeichnet er sich aus als rigoroser Rationalist. Sein Verständnis von
Ă„sthetik ist nicht "demokratisch": fĂĽr den besten, den idealen Leser
(s)eines Buchs hält er allemal - sich selbst.
Er kann sich nicht vorstellen, dass ein anderer aus dem Roman etwas
(Zutreffendes) herausliest, das er nicht persönlich hineingesteckt hätte.
Nicht umsonst vergleicht Nabokov ästhetische Probleme gern mit
Schachproblemen: Auch künstlerische Fra! gestellungen sind grundsätzlich
mit Intelligenz zu lösen. (Deswegen gibt es Interpreten, die - nicht zu
Unrecht - an Nabokov-Romane herangehen wie an eine Mathematikaufgabe.)
Aufgrund dieser Ăśberzeugung muss Nabokov Autoren ablehnen - wie Dostojewski
oder Faulkner -, bei denen das Irrationale, das Unbewusste eine größere
Rolle zu spielen scheint als der pure Kunstverstand. Den "Quacksalber aus
Wien" (Freud) verabscheut er ohnehin. Offensichtlich fĂĽrchtet Nabokov, dass
jede aufs Symbolische oder Untergründige zielende "Erklärung" - einer
Figur, eines Vorgangs - sofort in die Nähe des Klischees gerät; "verstehen"
hat fĂĽr den Literaturprofessor V. N. nichts mit "deuten" zu tun, sondern
mit einem pragmatisch-technischen Sondieren der Realitäten; an Ulysses
interessieren ihn die topographischen Besonderheiten Dublins, und
entsprechend müsse man zum Verständnis von Kafkas Verwandlung die Anordnung
der Zimmer in der Samsa-Wohnung analysieren und nicht das Seelenleben! des
Protagonisten.
In den Dingen, in den Details, liegen die u nendlichen Möglichkeiten der
sprachlichen Differenzierung und Distinktion, um die es dem Wortspieler
Nabokov geht. Der "Dämon der Verallgemeinerung" ist ihm ein Graus,
schlieĂźlich begegne man "dann und wann auch blassen Metzgern und
vergesslichen Elefanten" (aus der bissigen Rezension einer
Shakespeare-Biographie). Das ist trefflich gesagt wie vieles, nein: wie
alles in diesen elaborierten Interviews, Aufsätzen, Feuilletons aus rund
fünf Jahrzehnten, die der jüngste Band aus Dieter E. Zimmers schöner,
ausführlich kommentierter Werkausgabe enthält. Abschwächungen schätzt der
Meister nicht; die Verwandlung eines groĂźen russischen in einen ebenso
groĂźen amerikanischen Schriftsteller findet er nicht "nahezu einmalig" (so
ein allzu naiver Interviewer), sondern "schlicht einmalig".
Selbstbewusstsein ist ja etwas Vortreffliches, Gesundes, und Nabokov
erfreut sich bester Gesundheit, jagt Schmetterlinge und genieĂźt das Leben.
Freud schätzt er übrigens als komischen Autor; wie ! dieser die Träume
seiner Patienten erkläre, das sei "unglaublich burlesk". Wie gesagt: ein
gesunder Mensch, der die Annehmlichkeiten seines komfortablen Jahrhunderts
- die Autos, die Ledersessel - genieĂźt und den Helfer-Gestus von
Therapeuten wie von "engagierten" Schriftstellern wohl auch deswegen
ablehnt, weil er selbst keine Hilfe benötigt. Die "kleinen Dinge" gelte es
zu sehen, "die Lässigkeit der Männerkleidung", ebenso die großen Dinge,
"die herrliche Freiheit des Denkens" und, man höre und staune: "den Mond".
Und was den Wert eines Meisterwerks ausmache, sei natĂĽrlich nicht eine
Theorie, eine Gesinnung, sondern "einzig das Wort". "Man findet lauter
wunderliche Dinge, wenn man die Kehrseite eines Wortes untersucht - die
unverhofften Schatten anderer Wörter, Beziehungen zwischen ihnen,
verborgene Schönheiten..."
Plädoyer für das Konkrete
Doch so überzeugend dieses Plädoyer für das Konkrete klingt - Nabokov ist
natürlich ein Mann starker Meinungen und alles andere als unabhängig von
Vorurteilen. Unter seinen "liebsten Hassobjekten" rangieren ganz vorn:
",abstrakte' Schmierereien, dĂĽstere symbolische TheaterstĂĽckchen,
Schrottskulpturen, ?avantgardistische' Gedichte und andere grobe
Banalitäten": Da lugt unversehens der Bildungsphilister unter dem Habitus
des generösen Freidenkers hervor.
Das Buch
Vladimir Nabokov: "Eigensinnige Ansichten." Gesammelte Werke. Band XXI.
Hrsg. von Dieter E. Zimmer. Rowohlt Verlag, Reinbek 2004, 639 Seiten, 38
Euro.
Spannend wird es erst wieder, wenn sich WidersprĂĽche und Risse abzeichnen
im festgefĂĽgten Weltbild. Wenn also einerseits feststeht, dass auf dem
Theater die Rampe absolut unĂĽberwindbar ist, eine "vierte Wand", wenn es
dem Dozenten der Theaterästhetik also zuwider ist, dass Zuschauer - wie
gelegentlich im sowjetischen Theater - zu Mitspielern gemacht werden; wenn
er dann aber doch voller Sympathie die Anekdote von dem gelangweilten
Schauspieler Warlamow erzählt, der mitten in der Vorstellung den in der
ersten Reihe sitzenden GroĂźvater Nabokovs ganz leger anspricht: "Ach
ĂĽbrigens, Iwan Wassilitsch, ich kann morgen leider nicht zu dir zum
Mittagessen kommen." Das, in der natĂĽrlichsten Manier in den StĂĽcktext
eingeflochten, hat wirkliche Nonchalance, und es ist angenehm zu sehen, wie
Meister Nabokov, mit seinem vitalen Sinn für die Realität des Lebens, dies
der Nachwelt ĂĽberliefert, obwohl es seinem Dog! ma widerspricht.
Am Ende sitzt das Monstrum V. N. im bequemen Lederfauteuil im Palace Hotel
zu Montreux und beantwortet eine letzte Frage: Nein, er sei kein Ironiker,
Ironie sei schlieĂźlich "bitteres Lachen" (also wiederum etwas Ungesundes,
davon will er nichts wissen): "Ach, nicht doch, mein Lachen ist ein
gutmĂĽtiges Glucksen, das ebenso sehr aus dem Bauch wie aus dem Kopf kommt."
===========================================================
[Image: "Frankfurter Rundschau"]
[Image: "ONLINE"]
[Image: "border=0 height=197 src="]
Do not interpret. Understand!
Panic before the bad formulation: "eigensinnige opinions", interviews with
Vladimir Nabokov
OF MARTIN KRUMBHOLZ
[Image: "height=3 src="]
The Russian writer Nabokov, which emerged later than Americans and wrote
its most scandalous (and perhaps also best) novel ,Lolita, in the language
of the unlimited possibilities, had like many genius something Monstroeses.
It was aware of its; its encyclopedia supplied to the keyword "monster" the
definition to it with: "an unnaturally splendid person". That may be the
one side, but Nabokov was also a biting animal, and it is delivered that
reporters, who wanted to interviewen the master in its age residence in
Montreux handed themselves over on the way there into that Geneva lake,
from lamp fever. However Nabokov did not give actual interviews, one had
the questions before in writing to submit and received written answers; the
interview was then specified as it were like a performance.
Spontaninterviewphobie
The core of these Spontaninterviewphobie is the desire to always shine to
brillieren and in no case with any weakness to be surprised. If he speaks
about own weaknesses, he exaggerates her and makes the confession
unreliable thereby. Its conception of the world is compact and closed, it
is a large conservative 20. Century, Aristokrat, anti-communist, American
by conviction. Above all however it is characterised as rigoroser
rationalist. Its understanding of aesthetics is not "democratic": for the
best, the ideal reader (s)eines book it always holds itself -.
He cannot imagine that another picks something out (applicable) from the
novel, which he would not personally have put in. Nabokov not in vain
compares aesthetic problems gladly with chess problems: Also artistic
questions are to be solved in principle with intelligence. (therefore! it
gives interpreters, who - not to injustice - near-go to Nabokov novels as
to task of mathematics.) Due to this conviction Nabokov authors must reject
- like Dostojewski or Faulkner -, with whom the irrational, which seems to
play unconscious one a larger role than the pure understanding of art. It
abhors the "quacksalber from Vienna" (Freud) anyway. Obviously Nabokov is
afraid that each "explanation" - a figure, a procedure -, aiming on the
symbolic or Untergruendige, comes immediately into the proximity of the
plate; "understand" to interpret "" has for the literature professor Vth N.
nothing with do, but with the pragmatic-technical sounding out of the
realities; in Ulysses the topographic characteristics of Dublin interest
it, and accordingly one must analyze the arrangement of the rooms in the
SAM SA dwelling to understand of Kafkas conversion and not the soul life of
the Protagonisten.
In the things, into which details lie, the infinite ! possibilities of the
linguistic differentiation and Distinktion, which it concerns to the word
player Nabokov. The "Daemon of the verallgemeinerung" is it a Graus,
finally meets one "now and then also pale butchers and forgetful elephants"
(from the biting review of a Shakespeare Biographie). That is trefflich
said like much, no: like everything in these elaborierten interviews,
essays, feuilletons from approximately five decades, which contains the
youngest volume from Dieter E. Zimmers more beautifully, of in detail
commentated expenditure for work. The master does not estimate weakenings;
he finds the conversion of a large Russian into a just as large American
writer not "almost uniquely" (such an all too naive interviewer), but
"simply unique". Self-confident its is something splendid, healthy, and
Nabokov enjoys of best health, hunts butterflies and enjoys the life.
He by the way estimates Freud as an amusing author; like these the dreams
of his patients explain, that is unbelievable "burlesk". As said: healthy
humans, who enjoy th! e Annehmlichkeiten of its comfortable century - the
cars, the leather armchair - and as of "engaged the aid Gestus of
Therapeuten" writers probably rejects because he does not need an
assistance. The "small things" apply it to see, "the casualness of the man
clothes", likewise the large things, "the wonderful liberty of thinking"
and, one hears and are astonished: "the moon". And which constitutes the
value of a masterpiece, are only naturally not a theory, a convicition, but
"the word". "one finds louder wunderliche things, if one examines the
drawback of a word - the unexpected shade of other words, relations between
them, hidden beautifulnesses..."
Final speech for the concrete
But so convincingly this final speech for the concrete sounds - Nabokov is
naturally a man of strong opinions and everything else as independent of
prejudices. Under its "dearest hate objects" rank completely in front: ",
abstract ' Schmierereien, dark symbolic theatre bits, scrap iron
sculptures, ' avant-garde ' poems and other rough banalities": There
unexpectedly the Bildungsphilister under the Habitus of the generoesen free
philosopher peeps out.
The book
Vladimir Nabokov: "eigensinnige opinions." Collected works. Volume XXI.
Hrsg. of Dieter E. Zimmer. Rowohlt publishing house, Reinbek 2004, 639
sides, 38 euro.
It becomes exciting only again if contradictions and tears appear in the
festgefuegten conception of the world. If thus on the one hand it is
certain that on the theatre the ramp is absolutely insurmountable, a
"fourth wall", if it is the lecturer of the theatre aesthetics thus
contrary that spectators - as occasional in the Soviet theatre - are made
fellow players; if it tells then however the anecdote to nevertheless full
sympathy of the bored actor Warlamow, who in the middle addresses the
grandfather Nabokovs sitting in the first row in the conception completely
casually: "oh by the way, Iwan Wassilitsch, I can come tomorrow
unfortunately not to you to the lunch." That, enwoven in most natural
manners into the piece text, has real Nonchalance, and it is to be seen
pleasantly, like master Nabokov, with its vital sense! for the reality of
the life, this to future generations delivered, although it contradicts its
dogma.
At the end the monster Vth N. sits in the comfortable leather armchair in
the Palace hotel to Montreux and answers a last question: No, he is not
Ironiker, irony is finally "bitter laughter" (thus again something
unhealthy, of it he does not want to know anything): "oh, not nevertheless,
my laughter is a good-natured Glucksen, just as much from the belly as by
heart comes."
---------- End Forwarded Message ----------
D. Barton Johnson
NABOKV-L
---------- Forwarded Message ----------
Date: Wednesday, August 04, 2004 10:26 PM -0400
From: "Sandy P. Klein" <spklein52@hotmail.com>
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Machine Translation directly under German article:
Nicht deuten. Verstehen!
Panik vor der schlechten Formulierung: "Eigensinnige Ansichten", Interviews
mit Vladimir Nabokov VON MARTIN KRUMBHOLZ Der russische Schriftsteller
Nabokov, der sich später als Amerikaner entpuppte und seinen skandalösesten
(und vielleicht auch besten) Roman, Lolita, in der Sprache der unbegrenzten
Möglichkeiten schrieb, hatte wie ...
Tuesday 2004-08-03, Frankfurter Rundschau (German)
[Image: "Frankfurter Rundschau"]
[Image: "ONLINE"]
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http://www.fr-aktuell.de/ressorts/kultur_und_medien/belletristik/?cnt=48122
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Nicht deuten. Verstehen!
Panik vor der schlechten Formulierung: "Eigensinnige Ansichten", Interviews
mit Vladimir Nabokov
VON MARTIN KRUMBHOLZ
[Image: "height=3 src="]
Der russische Schriftsteller Nabokov, der sich später als Amerikaner
entpuppte und seinen skandalösesten (und vielleicht auch besten) Roman,
Lolita, in der Sprache der unbegrenzten Möglichkeiten schrieb, hatte wie
viele Genies etwas Monströses. Er war sich dessen bewusst; sein Lexikon
lieferte ihm zum Stichwort "Monstrum" die Definition: "eine unnatĂĽrlich
vortreffliche Person". Das mag die eine Seite sein, aber Nabokov war auch
ein bissiges Tier, und es ist ĂĽberliefert, dass Reporter, die den Meister
in seiner Altersresidenz in Montreux interviewen wollten, sich auf dem Weg
dorthin in den Genfer See ĂĽbergaben, aus Lampenfieber. Eigentliche
Interviews gab allerdings Nabokov nicht, man musste die Fragen vorher
schriftlich einreichen und erhielt schriftliche Antworten; das Interview
wurde dann sozusagen aufgefĂĽhrt wie eine Performance.
Spontaninterviewphobie
Der Kern dieser Spontaninterviewphobie ist der Wunsch, stets zu glänzen, zu
brillieren, und auf keinen Fall bei irgendeiner Schwäche ertappt zu werden.
Spricht er über eigene Schwächen, übertreibt er sie und macht das
Geständnis dadurch unglaubwürdig. Sein Weltbild ist kompakt und
geschlossen, er ist ein groĂźer Konservativer des 20. Jahrhunderts,
Aristokrat, Antikommunist, Amerikaner aus Ăśberzeugung. Vor allem aber
zeichnet er sich aus als rigoroser Rationalist. Sein Verständnis von
Ă„sthetik ist nicht "demokratisch": fĂĽr den besten, den idealen Leser
(s)eines Buchs hält er allemal - sich selbst.
Er kann sich nicht vorstellen, dass ein anderer aus dem Roman etwas
(Zutreffendes) herausliest, das er nicht persönlich hineingesteckt hätte.
Nicht umsonst vergleicht Nabokov ästhetische Probleme gern mit
Schachproblemen: Auch künstlerische Fra! gestellungen sind grundsätzlich
mit Intelligenz zu lösen. (Deswegen gibt es Interpreten, die - nicht zu
Unrecht - an Nabokov-Romane herangehen wie an eine Mathematikaufgabe.)
Aufgrund dieser Ăśberzeugung muss Nabokov Autoren ablehnen - wie Dostojewski
oder Faulkner -, bei denen das Irrationale, das Unbewusste eine größere
Rolle zu spielen scheint als der pure Kunstverstand. Den "Quacksalber aus
Wien" (Freud) verabscheut er ohnehin. Offensichtlich fĂĽrchtet Nabokov, dass
jede aufs Symbolische oder Untergründige zielende "Erklärung" - einer
Figur, eines Vorgangs - sofort in die Nähe des Klischees gerät; "verstehen"
hat fĂĽr den Literaturprofessor V. N. nichts mit "deuten" zu tun, sondern
mit einem pragmatisch-technischen Sondieren der Realitäten; an Ulysses
interessieren ihn die topographischen Besonderheiten Dublins, und
entsprechend müsse man zum Verständnis von Kafkas Verwandlung die Anordnung
der Zimmer in der Samsa-Wohnung analysieren und nicht das Seelenleben! des
Protagonisten.
In den Dingen, in den Details, liegen die u nendlichen Möglichkeiten der
sprachlichen Differenzierung und Distinktion, um die es dem Wortspieler
Nabokov geht. Der "Dämon der Verallgemeinerung" ist ihm ein Graus,
schlieĂźlich begegne man "dann und wann auch blassen Metzgern und
vergesslichen Elefanten" (aus der bissigen Rezension einer
Shakespeare-Biographie). Das ist trefflich gesagt wie vieles, nein: wie
alles in diesen elaborierten Interviews, Aufsätzen, Feuilletons aus rund
fünf Jahrzehnten, die der jüngste Band aus Dieter E. Zimmers schöner,
ausführlich kommentierter Werkausgabe enthält. Abschwächungen schätzt der
Meister nicht; die Verwandlung eines groĂźen russischen in einen ebenso
groĂźen amerikanischen Schriftsteller findet er nicht "nahezu einmalig" (so
ein allzu naiver Interviewer), sondern "schlicht einmalig".
Selbstbewusstsein ist ja etwas Vortreffliches, Gesundes, und Nabokov
erfreut sich bester Gesundheit, jagt Schmetterlinge und genieĂźt das Leben.
Freud schätzt er übrigens als komischen Autor; wie ! dieser die Träume
seiner Patienten erkläre, das sei "unglaublich burlesk". Wie gesagt: ein
gesunder Mensch, der die Annehmlichkeiten seines komfortablen Jahrhunderts
- die Autos, die Ledersessel - genieĂźt und den Helfer-Gestus von
Therapeuten wie von "engagierten" Schriftstellern wohl auch deswegen
ablehnt, weil er selbst keine Hilfe benötigt. Die "kleinen Dinge" gelte es
zu sehen, "die Lässigkeit der Männerkleidung", ebenso die großen Dinge,
"die herrliche Freiheit des Denkens" und, man höre und staune: "den Mond".
Und was den Wert eines Meisterwerks ausmache, sei natĂĽrlich nicht eine
Theorie, eine Gesinnung, sondern "einzig das Wort". "Man findet lauter
wunderliche Dinge, wenn man die Kehrseite eines Wortes untersucht - die
unverhofften Schatten anderer Wörter, Beziehungen zwischen ihnen,
verborgene Schönheiten..."
Plädoyer für das Konkrete
Doch so überzeugend dieses Plädoyer für das Konkrete klingt - Nabokov ist
natürlich ein Mann starker Meinungen und alles andere als unabhängig von
Vorurteilen. Unter seinen "liebsten Hassobjekten" rangieren ganz vorn:
",abstrakte' Schmierereien, dĂĽstere symbolische TheaterstĂĽckchen,
Schrottskulpturen, ?avantgardistische' Gedichte und andere grobe
Banalitäten": Da lugt unversehens der Bildungsphilister unter dem Habitus
des generösen Freidenkers hervor.
Das Buch
Vladimir Nabokov: "Eigensinnige Ansichten." Gesammelte Werke. Band XXI.
Hrsg. von Dieter E. Zimmer. Rowohlt Verlag, Reinbek 2004, 639 Seiten, 38
Euro.
Spannend wird es erst wieder, wenn sich WidersprĂĽche und Risse abzeichnen
im festgefĂĽgten Weltbild. Wenn also einerseits feststeht, dass auf dem
Theater die Rampe absolut unĂĽberwindbar ist, eine "vierte Wand", wenn es
dem Dozenten der Theaterästhetik also zuwider ist, dass Zuschauer - wie
gelegentlich im sowjetischen Theater - zu Mitspielern gemacht werden; wenn
er dann aber doch voller Sympathie die Anekdote von dem gelangweilten
Schauspieler Warlamow erzählt, der mitten in der Vorstellung den in der
ersten Reihe sitzenden GroĂźvater Nabokovs ganz leger anspricht: "Ach
ĂĽbrigens, Iwan Wassilitsch, ich kann morgen leider nicht zu dir zum
Mittagessen kommen." Das, in der natĂĽrlichsten Manier in den StĂĽcktext
eingeflochten, hat wirkliche Nonchalance, und es ist angenehm zu sehen, wie
Meister Nabokov, mit seinem vitalen Sinn für die Realität des Lebens, dies
der Nachwelt ĂĽberliefert, obwohl es seinem Dog! ma widerspricht.
Am Ende sitzt das Monstrum V. N. im bequemen Lederfauteuil im Palace Hotel
zu Montreux und beantwortet eine letzte Frage: Nein, er sei kein Ironiker,
Ironie sei schlieĂźlich "bitteres Lachen" (also wiederum etwas Ungesundes,
davon will er nichts wissen): "Ach, nicht doch, mein Lachen ist ein
gutmĂĽtiges Glucksen, das ebenso sehr aus dem Bauch wie aus dem Kopf kommt."
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[Image: "Frankfurter Rundschau"]
[Image: "ONLINE"]
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Do not interpret. Understand!
Panic before the bad formulation: "eigensinnige opinions", interviews with
Vladimir Nabokov
OF MARTIN KRUMBHOLZ
[Image: "height=3 src="]
The Russian writer Nabokov, which emerged later than Americans and wrote
its most scandalous (and perhaps also best) novel ,Lolita, in the language
of the unlimited possibilities, had like many genius something Monstroeses.
It was aware of its; its encyclopedia supplied to the keyword "monster" the
definition to it with: "an unnaturally splendid person". That may be the
one side, but Nabokov was also a biting animal, and it is delivered that
reporters, who wanted to interviewen the master in its age residence in
Montreux handed themselves over on the way there into that Geneva lake,
from lamp fever. However Nabokov did not give actual interviews, one had
the questions before in writing to submit and received written answers; the
interview was then specified as it were like a performance.
Spontaninterviewphobie
The core of these Spontaninterviewphobie is the desire to always shine to
brillieren and in no case with any weakness to be surprised. If he speaks
about own weaknesses, he exaggerates her and makes the confession
unreliable thereby. Its conception of the world is compact and closed, it
is a large conservative 20. Century, Aristokrat, anti-communist, American
by conviction. Above all however it is characterised as rigoroser
rationalist. Its understanding of aesthetics is not "democratic": for the
best, the ideal reader (s)eines book it always holds itself -.
He cannot imagine that another picks something out (applicable) from the
novel, which he would not personally have put in. Nabokov not in vain
compares aesthetic problems gladly with chess problems: Also artistic
questions are to be solved in principle with intelligence. (therefore! it
gives interpreters, who - not to injustice - near-go to Nabokov novels as
to task of mathematics.) Due to this conviction Nabokov authors must reject
- like Dostojewski or Faulkner -, with whom the irrational, which seems to
play unconscious one a larger role than the pure understanding of art. It
abhors the "quacksalber from Vienna" (Freud) anyway. Obviously Nabokov is
afraid that each "explanation" - a figure, a procedure -, aiming on the
symbolic or Untergruendige, comes immediately into the proximity of the
plate; "understand" to interpret "" has for the literature professor Vth N.
nothing with do, but with the pragmatic-technical sounding out of the
realities; in Ulysses the topographic characteristics of Dublin interest
it, and accordingly one must analyze the arrangement of the rooms in the
SAM SA dwelling to understand of Kafkas conversion and not the soul life of
the Protagonisten.
In the things, into which details lie, the infinite ! possibilities of the
linguistic differentiation and Distinktion, which it concerns to the word
player Nabokov. The "Daemon of the verallgemeinerung" is it a Graus,
finally meets one "now and then also pale butchers and forgetful elephants"
(from the biting review of a Shakespeare Biographie). That is trefflich
said like much, no: like everything in these elaborierten interviews,
essays, feuilletons from approximately five decades, which contains the
youngest volume from Dieter E. Zimmers more beautifully, of in detail
commentated expenditure for work. The master does not estimate weakenings;
he finds the conversion of a large Russian into a just as large American
writer not "almost uniquely" (such an all too naive interviewer), but
"simply unique". Self-confident its is something splendid, healthy, and
Nabokov enjoys of best health, hunts butterflies and enjoys the life.
He by the way estimates Freud as an amusing author; like these the dreams
of his patients explain, that is unbelievable "burlesk". As said: healthy
humans, who enjoy th! e Annehmlichkeiten of its comfortable century - the
cars, the leather armchair - and as of "engaged the aid Gestus of
Therapeuten" writers probably rejects because he does not need an
assistance. The "small things" apply it to see, "the casualness of the man
clothes", likewise the large things, "the wonderful liberty of thinking"
and, one hears and are astonished: "the moon". And which constitutes the
value of a masterpiece, are only naturally not a theory, a convicition, but
"the word". "one finds louder wunderliche things, if one examines the
drawback of a word - the unexpected shade of other words, relations between
them, hidden beautifulnesses..."
Final speech for the concrete
But so convincingly this final speech for the concrete sounds - Nabokov is
naturally a man of strong opinions and everything else as independent of
prejudices. Under its "dearest hate objects" rank completely in front: ",
abstract ' Schmierereien, dark symbolic theatre bits, scrap iron
sculptures, ' avant-garde ' poems and other rough banalities": There
unexpectedly the Bildungsphilister under the Habitus of the generoesen free
philosopher peeps out.
The book
Vladimir Nabokov: "eigensinnige opinions." Collected works. Volume XXI.
Hrsg. of Dieter E. Zimmer. Rowohlt publishing house, Reinbek 2004, 639
sides, 38 euro.
It becomes exciting only again if contradictions and tears appear in the
festgefuegten conception of the world. If thus on the one hand it is
certain that on the theatre the ramp is absolutely insurmountable, a
"fourth wall", if it is the lecturer of the theatre aesthetics thus
contrary that spectators - as occasional in the Soviet theatre - are made
fellow players; if it tells then however the anecdote to nevertheless full
sympathy of the bored actor Warlamow, who in the middle addresses the
grandfather Nabokovs sitting in the first row in the conception completely
casually: "oh by the way, Iwan Wassilitsch, I can come tomorrow
unfortunately not to you to the lunch." That, enwoven in most natural
manners into the piece text, has real Nonchalance, and it is to be seen
pleasantly, like master Nabokov, with its vital sense! for the reality of
the life, this to future generations delivered, although it contradicts its
dogma.
At the end the monster Vth N. sits in the comfortable leather armchair in
the Palace hotel to Montreux and answers a last question: No, he is not
Ironiker, irony is finally "bitter laughter" (thus again something
unhealthy, of it he does not want to know anything): "oh, not nevertheless,
my laughter is a good-natured Glucksen, just as much from the belly as by
heart comes."
---------- End Forwarded Message ----------
D. Barton Johnson
NABOKV-L